Kloster

„ORA ET LABORA“ – Klosterleben im alten Döbeln

Zuweilen fragen Besucher von Döbeln, die sich für sakrale Bauten und Denkmale interessieren, nach Zeugnissen ehemaliger Klöster, um denen einen Besuch abzustatten. Die Fragesteller werden zumeist auf die Zisterzienserklöster von Altzella bei Nossen und Klosterbuch bei Leisnig verwiesen. Beide Klöster wurden im 12. Jahrhundert gegründet und vor allem Klosterbuch kann mit einem bemerkenswerten Rest an historischen Bausubstanzen zahlreiche Besucher anlocken.

Mit solchen Relikten früherer Zeiten können wir in Döbeln leider nicht aufwarten. Sie sind verschwunden wie die Döbelner Burg. Aber schon ein Blick in den Döbelner Stadtplan lässt aufmerken. Dort lesen wir: Klostergässchen, Klosterstraße, Klostergärten und Klosterviertel. Zweifelsfrei sind dies deutliche Hinweise auf die Existenz eines ehemaligen Klosters in Döbeln. Mag sein, dass hier eine lange zurückliegende Zeit im Mantel der Geschichte Spuren und Erinnerungen verhüllt hat.

Liebevoll
Liebevoll sanierte Familie Friedrich das historische Klostergut.

Das wollen wir mit unserem Beitrag auffrischen und über das einstige Benediktinerinnenkloster zu Döbeln berichten. Begonnen hat alles vor 700 Jahren an der Schwelle zum 14. Jahrhundert. Im Jahre 1303 stiftete der edelmütige Schlosshauptmann Johann von Seuschin, genannt der Große, in seiner Herzensgüte das Landeshospital St. Georg. Es entstand vor dem Obertor der Stadt am Ende der Meißner Landstraße. Heute ist dort der Beginn der St.-Georgen-Straße, früher auch Saumarkt genannt. An der Stelle des besagten Hospitals baute man, weiter südlich gerückt, im 19. Jahrhundert das bekannte Wappenhenschstift. Im früheren Hospital mit dem klosterähnlichen Charakter konnten bis zu zwei Dutzend altersschwache und hilfsbedürftige Bürger aufgenommen werden und erhielten dort Kost, Pflege und sicheres Obdach.

Einhundert Jahre vor dem Bau des St.-Georg-Hospitals war in Staucha, 6 Kilometer westlich von Lommatzsch, ein Kloster der Benediktinerinnen unter der Herrschaft des Meißner Markgrafen entstanden. Der Mönch- und Nonnenorden der Benediktiner (ordo sancti benedicti) existierte in Europa schon lange Zeit. Die Träger dieser schwarzen Ordenstracht schufen zahlreiche Kloster- und Kirchenbauten. Durch die aktive Ausübung ihrer Regularien wurden sie in Europa zu Wissensträgern für Landwirtschaft, Handwerk und Schulwesen. Das machte sie gerade in unserer Region bis ins Mittelalter hinein zu wahren Lehrmeistern. Der Ordensgründer war Benedikt von Nursia (480 bis 547). Er prägte die alten lateinische Maxime „ora et labora“- bete und arbeite! Nach dieser Benediktenregel (regula benedicti) hatten die Mönche und Nonnen in Eigentumslosigkeit, Keuschheit, Gehorsam in Klausur, also in einem Kloster zu leben. Das Mutterkloster entstand auf einem 519 Meter hohen Berg (Monte Cassino) über der süditalienischen Stadt Cassino. Diese lag in der mittelitalienischen Landschaft Latium am Tyrrhenischen Meer, 150 Kilometer südöstlich von Rom. Die Benediktinerarbeit auf dem Monte Cassino erlitt im 2. Weltkrieg ein schweres Schicksal. Damals hatten deutsche Truppen das Areal als Bergfestung vor den Toren Roms genutzt. Anglo-amerikanische Bombardierungen fügten 1944 schwere Schäden dem Klosterkomplex zu. In den Jahren 1945 bis 1959 kam es zum Wiederaufbau der Klosteranlagen, welcher sich als schwierig gestaltete.

Doch zurück zu unserer Stadt auf der Muldeninsel und in die Mark Meißen des 14. Jahrhunderts. Das Nonnenkloster in Staucha hatte sich gut entwickelt. Die zumeist adligen Klosterjungfrauen brachten gemäß ihrer Ordensregel reichlich irdische Güter, wie Gelder, Landbesitze und Immobilien in das Eigentum des Klosters ein. Doch erschien ihnen das abgeschiedene ländliche Umfeld zu trist und auch gefährlich, denn fromme klösterliche Stätten lockten Diebe und Räuber an. Und so suchten die Nonnen nach einem belebteren Ort mit mehr menschlichem Umgang. Döbeln mit seinen Bürgern und der Schutz von Burg und Stadtmauern inmitten einer schönen Landschaft erschien ihnen als ein geeigneter Ort für ein neues Kloster. Man nahm den Kontakt mit Johann von Seuschin auf und führte Verhandlungen. Der Schlosshauptmann fand Gefallen an den Plänen der Nonnen und gab davon seinem Herrn in Meißen Kunde. Vorbedingung an die Nonnen für einen Ortswechsel war, dass die frommen Schwestern das Hospital St. Georg in ihre Fürsorge nehmen sollten.
Im Jahre 1328 erlaubte Friedrich der Ernsthafte die Übereignung des St.-Georg-Hospitals an das damalige Kloster Staucha und gewährte den Nonnen den Ortswechsel nach Döbeln. Die „Ausreisegenehmigung“ trug den Datumsstempel vom 16. März 1328, womit der Klosterneubau in Döbeln seinen Anfang nehmen konnte.
Das Baugelände befand sich auf der rechten Flussseite des nördlichen Muldenarmes in der Nähe des Obertores und des St.-Georg-Hospitals. Diese Stadtfläche Döbelns, die wir heute Klosterviertel nennen, bezeichnete der bekannte Heimatforscher, Herr Dr. Prüfer, in seinem Heimatatlas als „Klosterscheibe“. Der Baugrund ist eine unregelmäßige Trapezfläche, dessen schmale Südspitze nahe dem Hospital und der ehemaligen Oberfurt durch die Wasser des Töpferbaches an der Oberbrücke liegt. Die westliche Flanke des Klosterbereiches verlief am Muldenufer, dessen Westufer die sogenannten Teichwiesen begrenzten, welche sich parallel zur Stadtmauer bis hin zur Staupitzmühle ausdehnten. Anfangs in nördlicher Richtung verlaufend, erhält dieser Linienzug einen scharfen Knick nach Westen. Nämlich dort, wo das Muldenwasser im fast spitzen Winkel durch einen Felssporn des Staupitzberges abgelenkt wird – die sogenannte Muldendrehe. Der östliche Rand des Klostergeländes könnte dem heutigen Verlauf der Leipziger Straße gefolgt sein, leicht ansteigend bis dorthin, wo nach links die Gartenstraße in westliche Richtung abbiegt. Der Verlauf der Gartenstraße und weiterführend bis hin zur Terrassenstraße auf dem Felsrücken dürfte die Nordgrenze des Klosters darstellen.

Früher ...
Früher ... Blick von der Oberbrücke Richtung Klosterviertel
... und heute
... und heute Blick von der Oberbrücke Richtung Klosterviertel

Das eigentliche Klostergebäude begann mit der Einlasspforte an der Oberbrücke. Es schloss sich die Klosterkirche mit Kapelle, die Klausur für die Nonnen mit Kreuzgängen und der Abtei an. Es folgten ein Klosterkräutergarten, eine Badestube mit Anschluss von Röhrwasser und schließlich ein kleiner Friedhof. Dieses ganze Areal war ringsum von einer Natursteinmauer umschlossen. Am nördlichen Ende hatte man eine weitere Ringmauer hochgezogen, hinter der die männlichen und weltlichen Klosterangehörigen arbeiteten und lebten. Dort standen die Gebäude des Propstes und zur Versorgung des Klosters. In unserer Zeit würde man dies als Logistiktrakt bezeichnen. Davon existiert noch eine erhaltene Gebäudesubstanz, die wir als Klostergut bezeichnen. In diesem Komplex, der bis heute zur Mulde hin durch eine hohe Mauer abgetrennt ist, gab es einen großen Brunnen für die Klosterküche und Bäckerei zur Wasserversorgung.

Am 15. März 1330 zogen die 16 Nonnen des Stauchaer Klosters mit ihrer damaligen Äbtissin Elisabeth List in das neue Döbelner Kloster ein. Das fromme und wohltätige Wirken für das Gemeinwohl der Armen und Bedürftigen durch die Benediktinerinnen währte über zwei Jahrhunderte. In dieser Zeit haben sie nicht nur, wie vertraglich geregelt, das St. Georg-Hospital betreut, sondern viele andere Menschen aus Stadt und Umland erhielten Speise und Trank, ihnen wurden Pflege und Zuwendung zuteil. Die Ordensschwestern und Äbtissinnen wechselten naturgemäß im doch langen Zeitraum. Manche gingen in andere Klöster, aber die meisten fanden ihre letzte Ruhe, wenn ihre Zeit gekommen war, auf dem Klosterfriedhof. Auf geweihtem Boden wurden in jener Zeit auch Verstorbene aus der Döbelner Obervorstadt beerdigt. In diesen zwei Jahrhunderten vermehrte sich der Klosterbesitz durch hinzukommende Ländereien, Wälder, Wiesen, Immobilien bis hin zu ganzen Klosterdörfern immens, denn jede Nonne brachte ihren persönlichen Besitz in das Kloster ein. Die Besitztümer lagen weit verstreut im Umkreis von Döbeln und sind nur aus den Eintragungen in alten Chroniken, so sie nicht verlustig gingen, zu überblicken. Aber sicherer und sorgenfreier als im früheren Kloster Staucha lebten die Nonnen in Döbeln dennoch nicht.

Auch hier mussten sie im Laufe der Jahre manches an Leid und Ungemach erleiden. Stadtbrände, Muldehochwasser, Kriege und Raubüberfälle und vor allem die fruchtbaren Jahre der Pest verlangten ihnen alles ab. Der schwarze Tod, ein Name für die Pest, wütete besonders in den Jahren 1474/1475. Man war gezwungen den alten Oberfriedhof hinter dem Hospital St. Georg neu einzurichten. Dessen Umfassungsmauern sind in Teilen bis in unsere Zeit vorhanden.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts nahte das Ende des Döbelner Klosters. Auslöser dafür war die Reformation, als mit der Herausbildung des Protestantismus die neue evangelische Religion entstand, deren Wortführer Martin Luther war. Sein Thesenanschlag am Tore der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 wird als Beginn dieser Bewegung gesehen und in der evangelischen Kirche jedes Jahr als Reformationstag feierlich begangen. Luther selbst soll noch 1545, ein Jahr vor seinem Tode, Magister Braun, einen Döbelner Pfarrer, in dessen Amt eingeführt haben. Nach dem Tode von Herzog Georg am 17. April 1539 kam unter seinem Bruder, Heinrich dem Frommen, die Reformation in ganz Sachsen zum Durchbruch und 1539 wird in den Chroniken als Ende der Klosterzeit in Döbeln genannt. Die klösterlichen Besitztümer jeglicher Art wurden in längeren Zeiträumen an alle möglichen Käufer und Interessenten verkauft oder aufgeteilt. Der Verbleib war nicht umfassend nachvollziehbar und gleicht so einem kaum lösbaren Puzzlespiel. Außerdem verschwanden ganze Gebäudekomplexe von der Bildfläche, dessen Baugrund für Neubauten genutzt wurde. Um das Jahr 1539 lebten nur noch sechs Nonnen im Döbelner Kloster. Eine heiratete einen Döbelner Pfarrer. Die fünf anderen erhielten im Kloster eine Bleibe auf Lebenszeit. Als letzte der 5 Nonnen verstarb im März 1582 Anna von Tragis.

Wie schon angedeutet, hatten mehrere Döbelner Bürger leer stehende Klostergebäude erworben, sie eine Zeit lang anderweitig genutzt oder abgerissen und an ihrer Stelle neue Häuser errichtet. Bausteine des Klosters bis hin zu den Steinen der großen Ringmauer galten bei den Döbelner Bürgern als begehrtes Baumaterial. Der Bedarf daran war nach Stadtbränden enorm. Die längste Zeit überdauerten die Turmmauern der Klosterkirche, aber auch sie verschwanden und teilten so das Schicksal mit den Resten der Döbelner Burg.

Eine Darstellung
Eine Darstellung des klösterlichen Lebens gab es auch beim "Tag der Sachsen" im Jahr 2004. 1330 zog die Äbtissin mit 15 Nonnen in das Kloster nahe der Oberbrücke ein. Foto: P. Zimmermann

Infolge von mehreren Stadtbränden, Muldehochwasser und anderweitiger widriger Vorkommnisse gibt es keine aussagekräftigen Dokumente, wie Baupläne oder detaillierte Ansichten vom Kloster. So können wir uns nur mittels vager Vorstellungen und Vermutungen ein Bild vom früheren Kloster entwerfen. Eines aber ist belegt, das Kloster hat es gegeben. Und es ist ja nicht alles für immer verschwunden. Das zeigen uns die erhaltenen Gebäudeteile der ehemaligen Propstei, dem heutigen Klostergut. Eigentlich war ihr Verfall nur noch eine Frage der Zeit. Doch welch ein Glückszustand, als sich eine Familie fand, die dem mit ganzer Kraft die Stirn bot. Sie finden sie unter ihrer Wohnadresse Klosterstraße 21.

In der Döbelner neuen Chronik 2000 lesen wir unter dem Datum 16. März 2002: „Nach erfolgter Wiederherstellung des Döbelner Klostergutes wie zu Zeiten des Markgrafen Friedrich des Ernsthaften im 14. Jahrhundert durch die Familie Friedrich, können sich Besucher von dem Denkmal überzeugen.“
Nicht nur der beeindruckende äußere Anblick begeistert mit seinem historischen Charme, auch die mit viel Originalität wiederbelebte Innenausstattung getreu dem historischen Vorbild entzückt Besucher im Klostergut. Musikalische und literarische Abende in diesem Ambiente bescherten den Friedrichs stets ein Haus voller dankbarer Gäste.
Dabei muss bedacht werden, dass das große Werk von Familie Friedrich durch die Hochwasserkatastrophe vom August 2002 erneut Schaden nahm, wenn auch die erhaltene Ringmauer manches verhinderte. Großen Schaden durch die entfesselte Mulde erlitten die Bürger des Klosterviertels an den tiefer gelegenen Häusern. Umso schlimmer, da die Häuser in ihren Eingangsschlusssteinen Jahreszahlen von 1801 bis 1805 tragen und somit als historisch wertvoll gelten. Heute sind diese Bauten mit enormer Liebe und Mühe farblich und gestalterisch wieder so hergerichtet, dass ein Rundgang durch das malerische Klosterviertel jedem Döbelner Besucher anzuraten ist. Besonders dann, wenn sich die herrliche Fassade des Klostergutes im Wasser der Muldendrehe spiegelt und man seine Gedanken siebenhundert Jahre zurückwandern lassen kann, als Döbeln noch ein Nonnenkloster der Benediktiner hatte!

Gerhard Heruth
"Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.
Mitgliederinformation Nr. 39
Dezember 2010