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Emaillepech-Fabrik Schwerdtfeger & Böttger

  • Brauerpech ist eine gelblichbraune, geschmacksneutrale und geruchsfreie Masse aus Erdfarben, Harzölen, Kolophonium, Pech und Paraffinen, die jede Brauerei zum Abdichten von Holzfässern ("Auspichen") benötigt. Da der Kontakt mit Eichenholz den Geschmack von Bier beeinträchtigt, werden Bierfässer aus Eiche innen mit Brauerpech überzogen. Das Neuartige am Emaillepech besteht darin, dass es das Holz der Fässer nicht nur überzieht, sondern es vollständig imprägniert.
Staupitzstraße 20 (2023)
  • Bernhard Schwerdtfeger hat als Angestellter der Faßfabrik Voigt & Co. bei seiner Reisetätigkeit den Erfinder des Brauerpechs, Gustav Engelrath, kennenlernt. Dieser inspiriert ihn 1889 zum Bau einer Pechhütte am heutigen Standort des Döbelner Amtsgerichts (heute Rose-Luxemburg-Straße).
  • 1890 kommt es zur Gründung der "Döbelner Patentpech-Siederei Otto & Schwerdtfeger" durch Louis Otto sen., Bernhard Schwerdtfeger und Gustav Engelsrath (letzterer als stiller Teilhaber). Das Unternehmen ist 1891/92 in der Staupitzstraße 20 nachweisbar, zieht danach in die Klostergärten 15.
Werbeanzeige von 1910
  • Engelsrath stirbt 1896 und Louis Otto tritt 1899 aus dem Geschäft aus. Ernst Böttcher ersetzt beide und wird Teilhaber.
  • Da es durch die Produktion zu einer starken Geruchsbelästigung kommt, muss die Firma an den Stadtrand umziehen. Schwerdtfeger kauft an der Ecke Reichensteinstraße/Am Burgstadel ein Grundstück. Für die "Döbelner Emaillepech-Fabrik Schwerdtfeger & Böttger" werden Lagerhallen sowie Gebäude für die Siederäume, die Klempnerei, das Labor und die Büros erbaut. Die Nähe zur Chemischen Fabrik Greiners ermöglicht seit 1896 die Mitbenutzung eines Industriegleises, das bis zum Hauptbahnhof führte.
Fabrikansicht 1911 (Vergrößerung der Abb. aus der Werbeanzeige)
  • Um die Transportkosten zu optimieren, unterhält die Firma acht Kommissionslager in Deutschland, die mit größeren Mengen beliefert werden können. Abnehmer sind Brauereien in Deutschland, besonders in Bayern, und im europäischen Ausland.
  • Hauptrohstoff für Emaillepech ist Harz. Das wird aus Amerika importiert, auf der Elbe bis Riesa und von hier aus mit dem Zug bis zum Döbelner Hauptbahnhof transportiert. Über das Greinersche Industriegleis konnten die Waggons dann bis an das Fabriktor der Emaillepech-Fabrik fahren. Unter Zugabe anderer Rohstoffe wird das Harz in großen Siedekesseln aufbereitet und danach in Holzfässer gefüllt, die an die Brauereien geliefert werden.
  • Vor dem Ersten Weltkrieg hat die Döbelner Fabrik eine führende Rolle in der Brache inne. Nach dem Krieg geht die Nachfrage nach Brauerpech zurück. Ein Grund hierfür ist, dass Bier immer häufiger in Fässern aus Stahl, Aluminium oder Beton gelagert wird. Ohne Holzfässer gibt es auch keinen Bedarf mehr für Brauerpech. So geht der Niedergang der Firma in den 1920er Jahren einher mit dem Niedergang der Döbelner Faßfabrik auf der Feldstraße.
Grabstelle der Familien Schwerdtfeger und Görne auf dem Döbelner Niederfriedhof
  • 1936 stirbt Bernhard Schwerdtfeger. Horst Görne, sein Schwiegersohn, der seit 1928 im Unternehmen arbeitet, übernimmt die Firma.
  • Unter anderem, weil während des Zweiten Weltkriegs Importe von Harz aus den Vereinigten Staaten nicht möglich sind, ist der Geschäftsbetrieb stark eingeschränkt. Brauereien schicken "Altpech" an die Firma, das diese wieder regeneriert.
  • Nach dem Tod Görnes im Jahr 1955 führt seine Frau Elisabeth Görne die Firma noch bis 1962 weiter. Nach dem Verkauf kommt zu einer Nutzung der Gebäude als Lager, einige Räume werden der "Volkssolidarität" zur Verfügung gestellt.
  • Im Jahr 2023 hat am Standort eine "Autoteile Döbeln GmbH" ihren Sitz.
Noch heute gibt es die Gebäude der ehemaligen Fabrik. Man findet sie am Ende der Reichensteinstraße rechts. Das vordere, an der Straße befindliche Gebäude ist nur noch einstöckig. Gut zu sehen sind heute noch die oben abgerundeten Fensterleibungen der früheren Fabrikhalle. Links der Straße befand sich die Chemische Fabrik Oswald Greiners. Das Betriebsgleis wurde bis zur Emaillepech-Fabrik Schwerdtfeger & Böttger weitergeführt.

© Michael Höhme, "Traditions- und Förderverein Lessing-Gymnasium Döbeln" e.V.

Quellen:
Pressausschuss für das Heimatfest (Hg.): Aus der Heimat. Festschrift zum Heimatfest. Döbeln 20.-22. Juni 1914, S. 93
Stockmann, Gottfried: Die Stadt Döbeln als Standort der Industrie. Borna Leipzig 1928, S. 127f.
Materialsammlung Karlheinz Enzmann (nicht veröffentlicht)

Bildnachweis:
Werbeanzeige 1910 - Schwender, Carl Clemens: Döbeln in Sachsen in Wort und Bild. Döbeln 1910
Alle Abbildungen/Fotos ohne Vermerk stammen aus der „Sammlung Döbeln“ von Michael Höhme.